Ursachen und Gründe für die Entstehung eines Burnout-Syndroms

Burnout entsteht hauptsächlich durch Stress im Arbeitsleben. Arbeit ist nicht automatisch Stress und Stress ist nicht automatisch negativ. Was macht den Unterschied?

a) Die gesunde Stressreaktion

Eine gesunde Stressreaktion läuft ab, wenn wir etwas bemerken und als gefährlich bewerten („Stressor“). Wir haben die Wahl: Kämpfen oder Flüchten. Dann reagiert unser Zwischenhirn automa-tisch. Über das aus Sympathikus und Parasympathikus bestehende Nervensystem wird der ganze Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Die Nebennierenrinde schüttet Adrenalin und Noradrenalin aus und bewirkt

  • Beschleunigung des Herzschlages
  • Erhöhung des Blutdruckes
  • Erhöhung des Muskeltonus
  • Freisetzung von Glukose- und Fettreserven als zusätzliche Energie für die Muskeln
  • Verkürzung der Blutgerinnungszeit (im Falle einer körperlichen Verletzung lebensrettend)
  • Verbesserung von Aufmerksamkeit, Entscheidungsschnelligkeit und Gedächtnisleistung
  • Verringerung der Verdauungsvorgänge
  • Verringerung der Sexualfunktionen
  • Aktivieren der Stresshormon-Achse

Die Stresshormon-Achse, bei der Cortisol eine große Rolle spielt, aktiviert auch Glukose- und Fettreserven und verbessert die Gehirnfunktionen. Das freigesetzte Hormon Vasopressin reduziert die Tätigkeit der Nieren.

Ist die Gefahr vorbei, beginnt der Körper sich zu regenerieren. Die Stresshormone werden abgebaut.

b) Die belastende Stressreaktion

Vorgänge im Körper

Stress wird dann belastend und kann zu Erkrankungen führen, wenn der Körper sich nicht erholen kann. Wir begegnen vor der vollständigen Regeneration schon dem nächsten Stressor, bleiben in Alarmbereitschaft. Unser Körper ist jedoch ein Wunderwerk der Anpassungsfähigkeit. Unser Stresssystem ist in der Lage, „sich auch der beständig erhöhten Anforderung anzupassen: Unser Körper stellt sich unter Dauerbelastung nach und nach auf das hohe Leistungsniveau ein (Prinzip der Allostase). Die Konzentration der Stresshormone im Blut bleibt hoch, der Sympathikus bleibt auf höherem Niveau aktiviert. Immunabwehr, Sexualtrieb und Verdauung werden weiter gehemmt. Hält der Stress sehr lange an, verliert unser Körper sogar die Fähigkeit, seine Funktionen wieder auf sein früheres Ruheniveau zurückzufahren. (…) Auf Dauer kann der menschliche Organismus dieses hohe Aktivierungsniveau jedoch nicht verkraften. Es kommt zur Erschöpfung, zu körperlichen und seelischen Erkrankungen.“ (Unger, Kleinschmidt, 2011)

Dauerhaft erhöhte Alarmbereitschaft hat Folgen:

  • „Der ständig erhöhte Cortisolwert im Blut schwächt das Immunsystem. Eine höhere Anfälligkeit für Infekte ist die Folge.
  • Auch erhöhte Blutdruck- und Blutfettwerte machen dem Körper zu schaffen und führen in letzter Konsequenz zu einer höheren Anfälligkeit für Herzinfarkt und Schlaganfall. (…)
  • Dauerstress (…) schwächt Gedächtnis und Konzentrationsvermögen.
    Daueranspannung führt zu Muskel- und Rückenschmerzen.“
    (Unger, Kleinschmidt in Anlehnung an McEwen, 2011)
  • Weitere Folgen von Dauerstress sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Rückenschmerzen, erhöhte Infektanfälligkeit, Autoimmunkrankheiten, Tinnitus und Depressionen.

Forscher (u.a. Prof. Thomas Elbert, Konstanz) konnten sogar nachweisen, dass dauerhafte Cortisol-Ausschüttung zum Abbau von Nerven-Rezeptoren im Gehirn führt. Es findet eine Unterdrückung der Ausschüttung von neurotrophen Faktoren statt. (Diese tragen zur Gedächtnisbildung bei und spielen beim Aufbau und beim Abbau von Nervennetzen eine große Rolle.) Die Folge ist eine reale Funktionseinschränkung bestimmter Fähigkeiten des Gehirns. Hierzu gehören Konzentration, Gedächtnis, logisches Denken, Kreativität. Die Zellen sprießen jedoch wieder, wenn man neue Erfahrungen macht.

Was lässt nun das Ruder von positivem zu negativem Stress umschlagen?

Ob ich etwas als Herausforderung oder Überforderung wahrnehme, ist das Ergebnis eines Bewertungsprozesses. Aaron Antonovsky (1997) hat untersucht, welche Faktoren gesund erhalten. Positiv bewerte ich eine Situation, die ich verbinde mit

  • Kompetenz (die Situation ist für mich verstehbar)
  • Selbstwirksamkeit (ich kann die Situation handhaben, bewältigen)
  • Sinn (ich erlebe mein Handeln als bedeutungsvoll, sinnhaft)

Die Negativ-Spirale setzt ein, wenn das nicht mehr der Fall ist. Wenn ich eine Gefahr wahrnehme, mich ihr aber durchaus gewachsen fühle, erlebe ich sie als Herausforderung, als positiven Stress. Wenn ich jedoch nicht weiß, ob meine Fähigkeiten/Kräfte/Zeit ausreichen, erlebe ich das als negativen Stress, fühle ich mich bedroht. Ständiges Arbeiten an der Leistungsgrenze und die Befürchtung, es nicht (mehr) zu schaffen, macht krank. Sehr viel Arbeit allein ist nicht die Ursache. (Unger, Vortrag 09.11.2011, Norderstedt)

Die Bewertung und somit Wirkung von Stress wird also beeinflusst durch

Arbeitsbelastung + Persönlichkeit + Bewältigungsmöglichkeiten (Ressourcen).

Riskante Arbeitsfaktoren (Westerlund 2004):

  • wenig Anerkennung für viel Engagement
  • wenig Kontrolle, wenig Entscheidungsspielraum; Gefühl, willkürlich behandelt zu werden
  • wenig soziale Unterstützung; Gefühl, allein oder angefeindet zu sein (z.B. Sandwichposition)
  • Arbeitsplatzunsicherheit
  • Schnelle betriebliche Umstrukturierungen
  • Mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten
  • Fehlende Fort- und Weiterbildung
  • Arbeitsverdichtung, hohe Arbeitsbelastung

Riskante Persönlichkeitsfaktoren (Matthias Burisch 2010):

  • aktiver Ausbrenner (kann nicht „nein“ sagen zu sich selbst, zu den inneren Antreibern wie „streng Dich an!“ oder „sei perfekt!“ sagen; Selbstverbrenner)
  • passiver Ausbrenner (kann nicht „nein“ zu anderen sagen; Opfer der Umstände, in die man ohne eigenes Zutun gerät)