Der Burnout-Prozess

Burnout wird verstanden als schleichender Prozess. Nahezu jeder Mensch hat einzelne Phasen des Prozesses schon erlebt. Dr. Unger beschreibt anhand einer Erschöpfungsspirale, wie man sich den Prozess auf der Verhaltens- und Erlebens-Ebene vorstellen kann. Prof. Dr. Burisch fasst die Symptomatik zusammen.

a) Die Erschöpfungsspirale (Dr. Unger)

Die erste Stufe der Erschöpfung ist gekennzeichnet durch

  • unspezifische Schmerzen aller Art (Rücken-, Kopf-, Zahnschmerzen) oft ohne körperliche Ursachen. Da kein Befund vorliegt, arbeitet der Mensch weiter genauso engagiert und leistungsorientiert wie bisher, auch wenn beispielsweise der grippale Infekt einfach nicht verschwinden will. Die Warnsignale des Körpers sind verschieden je nach individueller „Schwachstelle“. Zum Beispiel kann sich eine bestehende Migräne verschlimmern. „Vielarbeiter berichten, dass sie sich an manchen Tagen abends „wie geprügelt“ fühlen, die gesamte Muskulatur schmerzt wie bei einem Muskelkater. Die Muskelanspannung zusammen mit Fehlhaltungen, körperlichen wie seelischen Verkrampfungen verstärkt degenerative Veränderungen der Wirbelsäule im Hals-, Brust- oder Lendenbereich.
  • Schlafprobleme sind ein häufiges Warnzeichen. EInschlafstörungen oder
  • Durchschlafstörungen sind begleitet von grüblerischen Gedanken.
  • Dauerstress führt zu einer gewissen gedanklichen Einengung. Man sieht das Problem nicht, kann keine Alternativen entwickeln, hält die Situation für unveränderbar und empfindet Hilfsangebote und Ratschläge als Kritik.

Auf der zweiten Stufe der Erschöpfung ändert sich das Verhalten des betroffenen Menschen. Irritierbarkeit, Reizbarkeit, aggressive Ausbrüche oder Rückzug und Mutlosigkeit sind kennzeichnend. Die Arbeit nimmt einen immer größeren Raum im Leben ein. Um die weiter oben geschilderten körperlichen Reaktionen auf Dauerstress wie Konzentrationsstörungen zu kompensieren, arbeite ich noch länger. Freundeskreis, Hobbias, Sport werden zurückgefahren, sind nicht mehr wichtig. Es ist auch keine Kraft mehr dafür da. Schuldgefühle sind die Folge.

Die dritte Stufe der Erschöpfung ist nicht ungefährlich. Leistung und Lebensmut schwinden. Körper und Geist steuern auf die völlige Erschöpfung zu. Grübelattacken (ich schaffe das nicht/ich muß das schaffen!) und Motivations- und Interesseverlust wechseln sich ab. Starke Stimmungsschwankungen können zu niedergeschlagener Stimmung bis suizidalen Gedanken führen. Apathie und/oder quälende innere Unruhe können nun auf eine Depression hinweisen.

Dr. Unger versteht die Erschöpfungsspirale als „dynamische Konstruktion, wir können anhalten und auf jeder Stufe auch wieder umdrehen.“

b) Symptomatik (in Auszügen)

Prof. Burisch versteht seine Auflistung von sieben Kategorien mit insgesamt 130 verschiedenen einzelnen Symptomen so, dass sie aufeinander folgen können. Es sei jedoch individuell unterschiedlich, welches Symptommuster sich in welcher Reihenfolge entwickelt. Manche Symptomkategorien sind auch als entweder/oder zu verstehen und es müssen nicht alle Symptome vorhanden sein. Auch ist die Reihenfolge nicht als zwingend zu verstehen.

Kategorie 1: Warnsymptome der Anfangsphase

  • Überhöhter Energieeinsatz (Freiwillige Mehrarbeit; Gefühl der Unentbehrlichkeit; Gefühl, nie Zeit zu haben; Verleugnung eigener Bedürfnisse; Verdrängung von Misserfolgen; Beschränkung sozialer Kontakte auf Klienten
  • Erschöpfung (Nicht Abschalten können; Energiemangel; Unausgeschlafenheit; Erhöhte Unfallgefahr)

Kategorie 2: Reduziertes Engagement

  • für Klienten, Patienten,etc. (Desillusionierung; Verlust positiver Gefühle gegenüber Klienten; Meidung von Kontakt mit Klienten und/oder Kollegen; Verschiebung des Schwergewichts von Hilfe auf Beaufsichtigung; Stereotypisierung von Klienten, Kunden, Schülern, etc.; …)
  • für andere allgemein (Unfähigkeit zu geben; Kälte; Verlust von Empathie; Schwierigkeiten, anderen zuzuhören; Zynismus)
  • für die Arbeit (Verlust von Idealismus; Desillusionierung; Widerwillen und Überdruss; Fluchtphantasien; Tagträumen; Überziehen von Pausen; Fehlzeiten; Aufblühen am Wochenende; Höheres Gewicht materieller Bedingungenfür die Arbeitszufriedenheit)
  • erhöhte Ansprüche (Konzentration auf die eigenen Ansprüche; Gefühl mangelnder Anerkennung; Gefühl, ausgebeutet zu werden; Eifersucht; Familienprobleme)

Kategorie 3: Emotionale Reaktionen; Schuldzuweisung

  • Depression (Schuldgefühle; Reduzierte Selbstachtung; Humorlosigkeit; Unbestimmte Angst und Nervosität; Abrupte Stimmungsschwankungen; Verringerte emotionale Belastbarkeit; Bitterkeit; Gefühl von Abgestorben sein und Leere; Gefühl des Festgefahrenseins; Pessimismus, Fatalismus; Selbstmordgedanken)
  • Aggression (Schuldzuweisung an andere oder „das System“; Ungeduld; Intoleranz; Kompromissunfähigkeit; Misstrauen; Häufig Konflikte mit anderen)

Kategorie 4: Abbau

  • der kognitiven Leistungsfähigkeit (Konzentrations- und Gedächtnisschwäche; Unfähigkeit zu komplexen Aufgaben; Entscheidungsunfähigkeit)
  • der Motivation (Verringerte Initiative; Dienst nach Vorschrift)
  • der Kreativität
  • Entdifferenzierung (Rigides Schwarzweißdenken)

Kategorie 5: Verflachung

  • des emotionalen Lebens (Gleichgültigkeit)
  • des sozialen Lebens (Meidung informeller Kontakte; Mit sich selbst
  • beschäftigt sein; Einsamkeit)
  • des geistigen Lebens (Aufgeben von Hobbies; Desinteresse; Langeweile)

Kategorie 6: Psychosomatische Beschwerden

  • (Schwächung der Immunreaktion; Schlafstörungen; Alpträume; Sexuelle Probleme; Gerötetes Gesicht; Herzklopfen; Engegefühl in der Brust; Muskelverspannungen; Verdauungsstörungen; Magen-Darm-Geschwüre; Gewichtsveränderungen; Veränderte Essgewohnheiten; Mehr Alkohol/Kaffee/Tabak/andere Drogen)

Kategorie 7: Verzweiflung

  • (Negative Einstellung zum Leben; Hoffnungslosigkeit; Gefühl der Sinnlosigkeit; Selbstmordabsichten; Existenzielle Verzweiflung)